#02 Woss: Sommer im pazifischen Regenwald

Eine Möhre.

Wir waren uns schnell sicher, dass wir eine bekommen hatten.
Eine verdammte Möhre!

Natürlich waren wir dankbar über den Mietwagen, den wir an Tag 2 im Norden von Vancouver Island abgeholt hatten.

Denn ohne Auto geht hier - ganz nordamerikanisch - nichts.

Eigentlich waren wir also happy, weil jetzt mobil und unabhängig. Dazu kommt noch, dass der Mietwagenmensch unfassbar freundlich und hilfsbereit war - wie wirklich jede andere Person, die wir hier treffen.

Allerdings ist das angemietete Auto einfach nicht kompatibel.

Weder mit uns (penetrantes Tröten und Klappern, dauernd Missverständnisse in der Kommunikation), noch mit den natürlichen Gegebenheiten der wilden Insel und ihrer „Straßen“ (kein Allrad, geringe Bodenfreiheit, noch dazu eine tiefe Frontschürze).

Wir hatten uns vorab zwar lange um einen Allradwagen mit großer Bodenfreiheit bemüht, doch das war hier oben im Norden einfach nicht möglich. Zumindest zu halbwegs akzeptablem Budget, zumal per One-Way-Miete, die wir aufgrund unserer Routenplanung brauchen.

Also trafen wir in der Planung die erste Fehlentscheidung der Reise.

Wir sparten Budget und bekamen diese Möhre.
Mit der wir nun fahren und leben müssen.

Vancouver Island Road conditions Roadtrip

Klassisch festgemöhrt. Das wird wohl nichts. Jetzt irgendwie Rückwärtsgang. Oder?

Immerhin kann die Möhre es zumindest mit den asphaltierten Straßen der Insel aufnehmen. Was im Norden heißt: Mit der einen Straße, die es gibt - dem Highway 19. Dieser Highway 19 führte uns von Port Hardy genau 105 km nach Süden und damit unweigerlich nach Woss.

Map Vancouver Island Woss Port Hardy

Verfahren unmöglich in Vancouver Island.

Wo oder was ist Woss?

Zentral gelegen, unsere erste Base, Woss, der Mittelpunkt unserer Zeit in Vancouver Island.

Woss village Vancouver Island

Ordnung muss sein: Ortszentrum in Woss

Heute ist Woss ein ordentlich gepflegtes Provinzdörfchen mit 200 Einwohnern. War mal ein Handelsknotenpunkt für die indigenen Bewohner der Insel. Wahrscheinlich mehrere tausend Jahre lang. Als die Weißen dann ab 1794 anfingen British Columbia zu besiedeln, um die Wälder der Insel auszubeuten, machten sie Woss zu einem Logistik-Hub um hier die Baumstämme zu sammeln, die sie dem Regenwald entrissen, um sie zu verladen auf einen Zug, der sie per Dampflok an die Küste brachte.

Die Dampflock steht noch am Ortseingang.

Wohl als romantisches Eisenbahn-Denkmal gedacht. Auf mich wirkt sie eher als Mahnmal, das plakativ darstellt mit welcher brachialen Technik hier die Natur ausgeschlachtet wurde, mit der die First Nations Ureinwohner jahrhundertelang im Einklang und Gleichgewicht gelebt hatten.

Locomotive 113 at Nimpkish Valley Heritage Park

Dampflok in Woss. Romantisch für die einen. Anfang vom Ende für die anderen.

Aber das ist die Geschichte von British Columbia und das ist die Geschichte von Woss - und auch heute noch dreht sich hier viel um die Forstwirtschaft. Das merken wir jeden Tag, wenn uns die riesigen Holzlaster entgegendonnern, bepackt mit der wertvollen Ware - und stets mit einer freundlich grüßenden Hand des Truckers.

Das klingt etwas industriell, fühlt sich aber nicht wirklich so an. Bis auf den ein oder anderen Truck oder Camper ist hier alles menschenleer und verträumt. Wir fühlen uns wohl in Woss, wir sind der Natur nahe.

Road trip Vancouver Island Timber truck

Entweder begegnet man hier Holztransportern, Camper-Vans oder Booten auf Anhängern.

Unsere Unterkunft ist ein top Airbnb, nichts besonderes, aber ein kanadisches Häuschen mit toller Veranda und Blick auf die Berge - und einem klasse Grill. Das Beste aber an der Unterkunft ist die Lage: Direkt gelegen am glasklaren und eiskalten Nimpkish River mit Wasserfällen in denen man baden kann.

Woss Airbnb Accomodation

Kann was: Unsere strategisch gut gelegene Unterkunft in Woss.

Die Tage in Woss sind gefüllt mit ersten Wanderungen durch den pazifischen Regenwald. Die Vegetation ist atemberaubend und die Fotomotive endlos. Dicke Douglasien mit rötlichen Stämmen, Hemlocktannen und andere Nadelbäume säumen die Gebirgsbäche an denen wir hier entlang wandern.

Überall wachsen verschiedene Farne, von den Bäumen hängen Flechten und ganz allgemein wirken die Wälder verträumt und irgendwie verwunschen.

Hiking Pacific Rainforest Vancouver Island

Auf unseren Wanderungen rund um Woss treffen wir keine Menschenseele und auch keine Bären. Das Wetter ist hochsommerlich und so enden die meisten Tage im Wasserfall, zwei Minuten zu Fuß von unserer Unterkunft.

Nimpkish River Woss Vancouver Island
Nimpkish River Woss Vancouver island Waterfall
Cliff Diving Nimpkish River Woss Vancouver Island
Cliff Diving Nimpkish River Woss Vancouver Island

Erst Wandern, dann hinein in den eiskalten Nimpkish River, direkt vor unserer Haustür.

Die zentrale Lage von Woss ermöglicht es uns auch die Umgebung zu Erkunden, solange es die Straßen zulassen. Mehr als einmal trauen wir unserer Möhre allerdings zu viel zu und brechen die Fahrt auf halbem Weg ab. Einmal aber ziehen wir es mutig durch und hoppeln 15 Kilometer auf einem rauen Forstweg durch die hügeligen Wälder bis wir die Little Huson Caves erreichen. Versteckt in einer dicht bewachsenen Schlucht sind die Kalkstein-Höhlen einfach nur spektakulär. Ein klarer Fluss umspült riesige Felsen und schlängelt sich gleichzeitig durch die Höhle, aus deren Innerem man durch riesige Steinbögen nach draußen in den pazifischen Regenwald blicken kann. Vögel kreischen, Hörnchen kekkern und das Wasser rauscht. Paradiesisch!

Huson Caves Vancouver Island
Little Huson Cave

Little Huson Cave, ästhetisch aufregend und kühl an einem heißen Sommertag.

Die raue Rückfahrt übersteht die Möhre einigermaßen unbeschadet (beim Unterboden und der Frontlippe schauen wir lieber nicht genauer hin).
Die weiteren Ausflüge sind dann eher weniger wild, für die Möhre und für uns.

Einmal besuchen wir Telegraph Cove, an der Ostküste der Insel, Einwohnerzahl 20. Telegraph Cove ist eine ehemalige Fischereigemeinde mit Konservenfabrik, heute Startpunkt für unterschiedliche Eco-Tours, Whale Watching und andere Tagestripps auf der Johnstone Strait.

Map Vancouver Island Telegraph Cove Woss

Telegraph Cove: Netter Tagesausflug von Woss, vorbei am Nimpkish Lake.

Das gucken wir uns mal kurz an, buchen aber keine Tour, denn wir haben in den kommenden Wochen mit der Johnstone Strait und ihrem Wildlife noch Großes vor…

Telegraph Cove Vancouver Island
Telegraph Cove Vancouver Island port

Telegraph Cove: Verschlafener Hafen mit Museum und einer handvoll Restaurants.

Insgesamt ist Telegraph Cove bis auf das nett gemachte maritime Museum nur kurz spannend, und außerdem ist die Touri-Ansammlung zwar klein, aber für uns momentan eine Nummer zu groß. So viele Menschen!

Also ab und zurück nach Woss, den Grill anschmeißen und bereit machen für die nächste Etappe der Reise, die uns an die raue Westküste der Insel führen wird: nach Ucluelet an die raue Pazifikküste. Wir sind gespannt was uns dort erwartet!

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#03 Ucluelet: Ocean Wildlife Safari

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#01 Port Hardy: Bären-Date am Strand