#05 Bella Coola: Coast Mountains Adventure

Bella Coola liegt nicht weit entfernt von Bella Bella.
Nur um eingangs eine kleine Orientierung zu geben.

Und wäre es nicht so verdammt verraucht gewesen auf unserer zehnstündigen Fährfahrt von Vancouver Island nach Bella Coola, dann hätten wir Bella Bella vielleicht sogar am Horizont sehen können.

Oder zumindest bei der Ankunft im Zielhafen dann Bella Coola.

Aber nein, es ist so diesig an unserem See-Reisetag, dass wir eigentlich überhaupt nichts sehen. Einmal schlägt ein Buckelwal mit seiner Rückenflosse auf die Wasseroberfläche, dieses Erlebnis ordnen wir aber eher noch Vancouver Island zu - und hier war die Sicht morgens noch einigermaßen akzeptabel.

Frühstück an Bord der Fähre. Goodbye Vancouver Island!

Irgendwann geht dann gar nichts mehr.

Als wir uns dem kanadischen Festland nähern und ich die massive Stahltür des Upper Decks der Fähre öffne, schlägt mir rauchige Luft ins Gesicht.

Überraschenderweise riecht sie richtig gut.

Ich muss an den Douglasien-Aufguss in meiner Lieblingssauna denken, wische den Gedanken aber schnell beiseite. Mein Hals kratzt, die Augen brennen und ich denke über die Waldbrände nach, die überall in British Columbia wüten und die nicht nur Douglasien vernichten. Dieses Jahr ist es besonders schlimm, wie die Locals hier zu berichten wissen.

Wir stehen an Deck und überlegen, ob es gefährlich werden könnte für uns, hier in British Columbia, in Bella Coola. Eigentlich wollten wir wandern, fotografieren, Bären beobachten und Ausflüge in die Wildnis machen. Unsere Waldbrand-App gibt zwar Entwarnung, aber ein mulmiges Gefühl bleibt.

Unsere Route: Spektakuläre Bootstour in die Coast Mountains, nach Bella Coola.

Wo sich die Berge und der Ozean gute Nacht sagen: Willkommen im Nirgendwo.

Am Pier angekommen holen wir unseren Mietwagen ab. Am einzigen Parkplatz in einer kleinen mit einem Zahlenschloss gesicherten Box liegt ein Schlüssel. Wir nehmen ihn heraus und hoffen darauf nicht eine weitere Möhre zu bekommen!

Anreise mit der Fähre über den Pazifik, dann hinein ins Bella Coola Valley.

Allrad, verrostet, vernarbt - ein betagter Jeep!

Tacho-Stand 450.000 - ich grinse und denke an ein albernes Sprichwort:
”Neue Besen kehren gut. Aber alte kennen die dunklen Ecken.”

Und dieser Traum von einem Geländewagen hier, der kannte ganz offensichtlich die dunklen Ecken vom Bella Coola Valley. Ja, mit diesem Gerät lässt sich bestimmt gut arbeiten! Wir drehen den Zündschlüssel im Schloss, der Motor startet - und sind happy.

Er’s guta Junge: unser betagter Jeep in seinem natürlichen Lebensumfeld.

Allerdings merken wir: Zum ersten Mal ist bei uns auf der Reise etwas die Luft raus.

Auf Vancouver Island jagte ein Highlight das andere, alles war durchgetaktet, drei Wochen lang. Da passt es fast ein bisschen, dass hier, inmitten der Coast Mountains, aufgrund des Rauchs auch erstmal keine größeren Aktionen sinnvoll sind.

Wir nutzen also unseren energetischen Durchhänger, gehen alles etwas langsamer an, grillen jeden Tag und kümmern uns um die Geschichte vom Bella Coola Valley. Und von Hagensborg, dem Dörfchen, in dem wir wohnen.

Alpines Flair in Hagensborg, Kanada - hier eine Hütte unserer Unterkunft.

Und auch hier kommt man unweigerlich nicht um die Wahrheit drum herum, dass es ein Vorher und ein Nachher gibt.

Darauf kommt man eigentlich schon, wenn man über den Namen dieser kleinen Siedlung nachdenkt. Die First Nations People, die indigenen Ureinwohner, sind sicherlich nicht auf die schräge Idee gekommen dieses schöne Fleckchen Land hier „Hagensborg“ zu nennen.

Nein, das waren die Weißen, in diesem Fall Norweger, die hier im Jahre 1894 anfingen zu siedeln, nachdem das Valley vom Schotten Sir Alexander Mackanzie „entdeckt“ wurde. Wir finden am Ortseingang eine Gedenktafel zu Ehren von Mackanzie.

Und zu Ehren von Mackanzie wurde diese Gedenktafel offensichtlich kürzlich mit einem indigenen Kunstwerk übermalt.

Wiederum zu Ehren aller Beteiligten machen wir kein Foto davon, machen uns aber so unsere Gedanken - und dieses Thema wird uns weiter beschäftigen.

Auch wenn das Bella Coola Valley aus westlicher Sicht keine lange Geschichte hat, hat sie offensichtlich eine bewegte. Wir wohnen sogar in einem der Häuser, die hier damals durch die ersten Siedler errichtet wurden. Mittlerweile ist es generalüberholt und modern ausgestattet, aber die Einrichtung ist atmosphärisch mehr oder weniger wertvoll nachempfunden.

Rustikales Flair in unserer Unterkunft, ein originäres Siedler-Haus in Hagensborg.

Auf der anderen Straßenseite treffen wir eine alte Dame mit norwegischen Wurzeln, die uns ihr Geburtshaus in historischem Originalzustand zeigt. Sie erzählt uns, dass das Haus eigentlich hätte abgerissen werden sollen, weil niemand mehr darin wohnte. Aber die Dame kaufte es zurück für ein paar hundert Dollar, ließ es, komplett wie es war, ein paar Meter umziehen und betreut es nun als Museumshaus.

Es ist ein sehr interessanter Besuch und wir sind ganz hin und her gerissen, was wir denken sollen: Einerseits ist die Dame sehr rührig und ihre Geschichten, aus erster Hand berichtet, faszinierend. Andernfalls ist man plötzlich ganz nah dran, an den Dingen, die hier bei der “Entdeckung” - und auch noch danach - so passiert sind.

Ich denke wieder an die übersprühte Mackanzie-Tafel, die zeigt, dass Spannungen zwischen “Siedlern” und indigenen Ureinwohnern bis heute alltäglich zu sein scheinen.

Wir bedanken uns höflich für die anschauliche, irgendwie auch beklemmende, Geschichtsstunde und stecken eine kleine Spende in die Museumsbox der alten Dame.

Als sich der Rauch der Waldbrände glücklicherweise etwas lichtet, verbringen wir die weiteren Tage im Bella Coola Valley mit einigen kleineren Wanderungen. Und einmal wagen wir uns auf eine größere Tour, es geht hoch in die Berge, die das Valley einschließen. Und endlich kann auch unser Jeep zeigen was er drauf hat!

Noch im Tal: Sonnenschein und gute Straßenverhältnisse. Sollte sich bald beides ändern…

Fast 30 Kilometer ballern wir über eine holprige und teilweise steile Forststraße, höher und immer tiefer in die Coast Mountains. Die “Straße” wird immer schlechter je höher wir kommen und es wird auch zunehmend düsterer und feuchter, bis wir schließlich vollends in den dichten Wolken sind - und den Gletschern ganz nahe.

Noch ein paar hundert Meter und wir kommen an, am Odegaard Falls Trailhead.

Odegaard. Wieder so ein skandinavischer Name.

Wie wohl die Nuxalk, die First Nations People, diesen Ort seit vielen Jahrhunderten nennen?

Der Weg hier hoch war wegen der Forststraße - und auch aufgrund des Wetters - etwas heftig, aber der Aufwand lohnt sich. Es ist düster, nass, neblig - aber dafür ist alles sehr atmosphärisch. Und der Wald riecht gut, nass, erdig, nadlig, frisch.

Wir wandern los und sind völlig isoliert in der Wildnis unterwegs, das Bärenspray und die Kamera immer im Anschlag. Ich hoffe im Extremfall beides nicht zu verwechseln.

Nicht unumstritten, aber in der Not potentiell lebensrettend: Bärenspray.

Sehr viel weiter unten, im Tal, in Hagensborg, hatten wir am Straßenrand Bärenfallen stehen sehen, von gigantischem Ausmaß. Da geht die Fantasie mit einem schon mal durch und man möchte nicht in die verzweifelte Situation geraten auf so ein getuntes Pfefferspray zählen zu müssen…

Ausgewachsene Bärenfallen in Hagensborg.

Mussten wir auch nicht. Zum Glück gibt es keine Bärenvorfälle.
Allerdings leider auch keine Wasserfälle.

Denn die Sicht ist so schlecht, dass wir nur das Tosen der Odegaard Falls hören und lediglich den unteren, immerhin beeindruckenden, Teil bestaunen können. Der Rest verschwindet in den Wolken. Der heftige Windzug, der uns noch hunderte Meter vom Geschehen entfernt ins Gesicht bläst lässt vermuten wie hoch und wie gewaltig diese von Gletschern gespeisten Fälle sind.

Wir sind trotz Regen und schlechter Sicht happy, drehen am Ende des Trails um und sind uns einig - das ist eine superschöne Wanderung. Die wir zudem ganz für uns haben! Auch auf dem Rückweg treffen wir keine Menschenseele. Und auch keinen Bären.

Für beides sind wir sehr dankbar und starten den Weg hinunter ins Tal - der Grill will angeschmissen werden.

Nach einer sehr schönen Zeit im Bella Coola Valley geht es morgen schon weiter. Der kanadische Norden ruft!

Eine kleine Propellermaschine fliegt uns aus dem Valley und entlang der westkanadischen Bergkette.

Nach dem Start in Hagensborg können wir das ganze Ausmaß der Waldbrände noch einmal genau betrachten. In den Tälern hängen riesige Rauchschwaden, die viele hundert Kilometer lang erscheinen, in den tieferen Regionen ist alles zugenebelt. Ein wahnsinniger Anblick, traurig und spektakulär, ebenso wie der Anblick der massiven Gletscher, die unter uns vorbei ziehen.

Mit vielen Eindrücken im Gepäck und den Kopf voller Gedanken verlassen wir das Bella Coola Valley. Der Yukon wartet auf uns, genauer gesagt:

Unser Roadtrip entlang der Golden Circle Route!

Wird es episch?

Nicht weniger erwarten wir!
Es kribbelt schon!

Zurück
Zurück

#06 Yukon: Golden Circle Route

Weiter
Weiter

#04 Vancouver Island: Kayaken mit Killerwalen